|
Informationsdienst der IGE vom März/April 2003 I. Auch jenseits des Themas „redlicher Erwerb“ ist in der
Rechtssprechung die Tendenz zu erkennen, die Rückübertragung von Grundstücken
an ihre ehemaligen Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger mit der Begründung
abzulehnen, die in der DDR gewachsenen Gegebenheiten schlössen die Rückübertragung
aus. Dies belegen zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg und
des Bundesverwaltungsgerichts, die jetzt veröffentlicht wurden. Ist ein rückzuübertragendes Grundstück vielfach
zergliedert und parzelliert – wobei die einzelnen Parzellen als
Gartengrundstück, als Transformatorenstation, als Garagenstellplatz u.s.w.
genutzt werden -, ist die Rückübertragung dieses Grundstücks ausgeschlossen.
Das entschied das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Urteil vom 22.05.2002 (VIZ
2003, 190). „Die Restitution würde ersichtlich keinen Nutzen,
nur Konflikte stiften.“ Unter diesen Voraussetzungen sei es mit der Zielsetzung
des Gesetzes nicht vereinbar, die Restitution durchzuführen. Die Rückübertragung eines Grundstücks ist ausgeschlossen,
wenn der Nutzer eines Zweifamilienhauses auf diesem Grundstück in der DDR
wesentliche Investitionen an dem Haus vorgenommen hatte. Das entschied das
Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24.10.2002 (VIZ 2003, 133). II. Kommunale Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet (z.B.
Landkreise, kreisfreie Städte) haften nicht für Schulden, die die mit den
Gebietskörperschaften namens- und flächenidentischen Bezirke, Kreise, Städte
oder Gemeinden in der DDR vor Inkrafttreten der DDR-Kommunalverfassung vom
17.05.1990 angehäuft hatten. Dies entschied das Landgericht Dresden mit
(nicht rechtskräftigem) Urteil vom 03.12.2002 (VIZ 2003, 138). Das Gericht hatte über die Klage einer Stiftung zu
entscheiden, die im Jahre 1960 zwangsaufgehoben und deren Vermögen in das
Eigentum des Volkes überführt wurde. Das Ministerium für Volksbildung der DDR
wies daraufhin die Stadt A. an, das enteignete Stiftungsvermögen zu verwalten
und somit alle zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Darlehensforderungen der
Stiftung beizutreiben. Nachdem das Regierungspräsidium Dresden im Jahre 1997
die Auflösung der Stiftung als rechtsstaatswidrig für nichtig erklärte,
begehrte die Stiftung nun gegenüber der Stadt A. Auskunft über die Höhe der
Darlehensforderungen mit Zinsansprüchen über die die Stadt A. nach Enteignung
der Stiftung verfügen konnte. Die Stiftung ging von mehr als Reichsmark
915.000,00 aus. Das Landgericht wies die Auskunftsklage der Stiftung
jedoch ab mit der Begründung, die beklagte Stadt A. hafte im Verhältnis zur
Stiftung nicht und sei somit auch nicht verpflichtet, Auskunft über jene
Darlehensforderungen zu geben, die die Stadt A. (auf Weisung des
Volksbildungsministeriums) aus dem Stiftungsvermögen übernommen hatte. Dies
wiederum begründete das Landgericht damit, dass die Stadt A. (in ihrem
jetzigen Status) nicht identisch sei mit der Gemeinde A. zu Vorkriegszeiten
oder der Stadt A., wie sie zu DDR-Zeiten bestand. Die mangelnde Identität
zwischen der Gemeinde A., wie sie in der DDR bestand, und der jetzigen Stadt
A. begründete das Landgericht Dresden mit der Neuorganisation des
Staatsaufbaus der DDR in Jahre 1990. Der wesentliche Unterschied bestehe
darin, dass die (DDR-) Gemeinde A. nach dem sogenannten Prinzip des
demokratischen Zentralismus organisiert gewesen und damit als selbständige
Körperschaft nach heutigen Maßstäben nicht existiert habe. Vielmehr sei sie
in ein zentral gelenktes, einheitsstaatliches System eingegliedert gewesen,
das durch eine einheitliche, hierarchisch geführte Organisation
gekennzeichnet gewesen sei. Demzufolge sei die (DDR-)Gemeinde A. lediglich
ein „Glied im zentralistischen Staatsaufbau der DDR“ und jedenfalls kein
eigenständiges Rechtssubjekt gewesen. Dies habe sich erst mit der Kommunalverfassung der DDR
vom 17.05.1990 geändert, die den einzelnen kreisangehörigen Gemeinden,
Landkreisen und kreisfreien Städten als eigenständige Gebietskörperschaften
die kommunale Selbstverwaltung übertragen und eigenen, von staatlichen Vorgaben
unabhängigen Handlungsspielraum eröffnet habe. Damit aber habe sich die
Stadt A. von ihrer nach den Strukturen der DDR organisierten
Vorgänger-Gemeinde gelöst und die Rechte und Pflichten der Vorgänger-Gemeinde
A. nicht übernommen. Daher könne die Stiftung Auskunft und Rechenschaft nicht
von der Stadt A. verlangen; der Anspruch hätte sich (hypothetisch) nur gegen
die untergegangene Gemeinde A. richten können. Mit dieser Entscheidung trägt das Landgericht Dresden
einmal mehr dazu bei, die öffentliche Hand – hier: die Kommunen – von
Verbindlichkeiten gegenüber privaten Gläubigern – hier: die Stiftung – zu
entlasten. Die Entscheidung gehört in eine Reihe mit diversen
obergerichtlichen Entscheidungen, die mit der Begründung, die öffentliche
Hand finanziell zu entlasten, die – berechtigten – Ansprüche der früheren
Eigentümer von Vermögenswerten gering schätzen. III. Wer für den Verlust seines Grundstücks oder sonstiger
Vermögenswerte in der DDR eine Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz
bekommen hat, muss diese Entschädigung – sollte er sein Vermögen inzwischen
rückübertragen bekommen haben – einschließlich des sogenannten Zinszuschlages
zurückzahlen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom
30.10.2002 (VIZ 2003, 128). Der Zinszuschlag wurde in der Regel gemeinsam mit dem
eigentlichen Entschädigungsbetrag für den Verlust des Vermögenswertes
ausgezahlt, um mögliche finanzielle Nachteile für diejenigen auszugleichen,
die auf die Auszahlung des Entschädigungsbetrages aus verwaltungstechnischen
oder finanziellen Gründen länger warten mussten als andere. Damit bewirkte
der Zinszuschlag – wirtschaftlich gesehen – die Gleichbehandlung dieses Personenkreises
mit denjenigen Personen, die die Entschädigungsleistung früher ausgezahlt
bekommen hatten. Die Rückzahlung auch des Zinszuschlages – neben dem
eigentlichen Entschädigungsbetrag – hielt ein Verwaltungsgericht für
verfassungswidrig und legte die Frage daher dem Bundesverfassungsgericht vor. Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, dass – nach
Rückübertragung des Vermögenswertes – nur noch der Entschädigungsbetrag an
sich, nicht jedoch der Zinszuschlag zurückgefordert werden dürfe. Die
Rückforderung des Entschädigungsbetrages rechtfertige sich damit, dass der
frühere Empfänger nunmehr den Vermögenswert, für den er damals den Entschädigungsbetrag
bekommen hat, zurückerhalten habe. Er habe jedoch nichts zurückerhalten, was
nunmehr die Rückzahlung auch des Zinszuschlages rechtfertige. Das Bundesverfassungsgericht folgte dieser Argumentation
jedoch nicht, sondern hielt § 349 Abs. 4 S. 1 des Lastenausgleichsgesetzes,
der auch die Rückzahlung des Zinszuschlages vorsieht, für verfassungsgemäß.
Insbesondere verstoße diese Regelung nicht gegen das Gleichheitsgebot des
Art. 3 Grundgesetz (GG). Der Zinszuschlag sei derart eng mit der
eigentlichen Entschädigung verknüpft, dass verfassungsrechtliche Bedenken
gegen auch seine Rückforderung nicht bestünden. Wollte man den Zinszuschlag nicht zurückfordern, würden
im Gegenteil Ungleichbehandlungen aus der Vergangenheit noch verschärft. Das
Verfassungsgericht bezog sich hier auf die unterschiedliche Rechtsstellung
der enteigneten Grundstückseigentümer in der früheren Bundesrepublik und
der früheren DDR. Während die einen - in der Bundesrepublik - für den Verlust
ihres Vermögens Lastenausgleich beantragen konnten, konnten dies die anderen
- in der DDR – nicht. Bereits darin liege eine – objektive – Ungleichbehandlung.
Diese Ungleichbehandlung solle nunmehr nicht dadurch verschärft werden, dass
diejenigen, die in der Bundesrepublik Lastenausgleich mit Zinszuschlag
erhielten, nunmehr nur den Lastenausgleich (die eigentliche
Entschädigungssumme) ohne den Zinszuschlag zurückzuzahlen hätten. IV. Ehemalige LPG profitiert von
Bodenreformgrundstücken Ein Bodenreformgrundstück, das nach dem Tode seines
(Bodenreform-) Eigentümers in das Eigentum einer landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaft (LPG) zugeordnet wurde, bleibt nunmehr im Eigentum
des Nachfolgebetriebes dieser LPG. Das entschied der Bundesgerichtshof mit
Urteil vom 10.01.2003 (VIZ 2003, 193). Der Bundesgerichtshof wies mit dieser Entscheidung eine
Klage des Freistaates Sachsen ab. Der Freistaat hatte argumentiert, dass ein
Bodenreformgrundstück nach dem Tode des Bauern, dem es im Zuge der Bodenreform
zugeordnet worden war, in den Bodenfonds und damit in das Eigentum des Volkes
hätte übertragen werden müssen. Eine Zuordnung in das Eigentum einer LPG sei
– nach den Vorschriften der DDR – rechtswidrig gewesen. Mit dieser
Argumentation versuchte der Freistaat Sachsen, sich das Eigentum an dem
Bodenreformgrundstück (als Rechtsnachfolger staatlicher Stellen, die das
Eigentum des Volkes verwalteten) gerichtlich zuordnen zu lassen. Der Bundesgerichtshof lehnte diese Argumentation jedoch
im Wesentlichen unter Hinweis auf Art. 233 § 11 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ab. Danach
ist eine lebende natürliche Person Eigentümer eines ehemaligen
Bodenreformgrundstücks nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches geworden, wenn sie für dieses Grundstück bei Ablauf
des 15.03.1990 als Eigentümer im (DDR-)Grundbuch eingetragen war. Diese
Regelung gelte in entsprechender Anwendung auch für eine (ehemalige) LPG, die
bei Ablauf des 15.03.1990 als Eigentümerin für ein Bodenreformgrundstück
eingetragen war. Diese entsprechende Wertung folge aus dem Zweck der
vorgenannten Vorschrift, wonach die in der DDR häufig vernachlässigte
Grundbuchführung zu bereinigen und Unsicherheiten zu beseitigen seien, die
sich aus dieser Grundbuchführung ergeben könnten. Diesem Zweck sei dadurch
Rechnung getragen, dass diejenigen, die zum Stichtag des 15.03.1990 als
Eigentümer von Bodenreformgrundstücken im Grundbuch stehen – einerlei ob
natürliche Personen oder Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften –
auch als Eigentümer dieser Grundstücke nach den Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches gelten sollen. hhhhhhhhhhh .
|